Endokrine Malignome - DIAKOVERE · Tumorresektion mit Radiatio (ggf. neoadjuvantes Konzept) Bei...

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Endokrine Malignome Chirurgische Therapieoptionen beim primären Schilddrüsencarcinom Christine Geffcken Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie Schwerpunkt für endokrine und onkologische Chirurgie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH Hannover

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  • Endokrine Malignome Chirurgische Therapieoptionen beim

    primären Schilddrüsencarcinom

    Christine Geffcken Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie

    Schwerpunkt für endokrine und onkologische Chirurgie

    Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH Hannover

  • 1. Grundlagen

    1. Allgemeine Aspekte

    2. Anatomie-Exkurs

    3. OP-Prinzipien: Vorbereitung, Resektionsausmasse

    2. Chirurgisches Vorgehen in Abhängigkeit vom

    histologischen Subtyp

    1. Differenzierte Schilddrüsencarcinome (PTC, FTC)

    2. Gering differenziertes Schilddrüsencarcinom (PDTC)

    3. Undifferenziertes Schilddrüsencarcinom (UTC)

    4. Medulläres Schilddrüsencarcinom (MTC)

    3. Komplikationsmanagement in der

    onkologischen Schilddrüsenchirurgie

    Fazit

    Agenda

  • Altersstandardisierte Erkrankungsrate 2010:

    Männer 3,5/100.000

    Frauen 8,7/100.000

    1. Allgemeine Aspekte

    USA 1973 bis 2009 verdreifacht

    BRD 1998 bis 2010 1,5fach erhöht

    49% < 1cm

    87% < 2cm

    1,2% aller maligner

    Neuerkrankungen

    Steigende Inzidenz! Vor allem der papillären Mikrocarcinome unter 10 mm

  • Stadieneinteilung altersabhängig

    die Hälfte aller Schilddrüsencarcinome werden erst postoperativ entdeckt!

    1. Allgemeine Aspekte

    50% der DTC

    erst postoperativer

    Zufallsbefund! Robert Koch Institut und Gesellschaft der epidemiologischen

    Krebsregister in Deutschland e. V. (eds.): Krebs in Deutschland

    2009/2010. 9. Ausgabe. Berlin, 2013.

  • „ (…) Störungen der Rekurrens- und Nebenschilddrüsenfunktion bei

    ausgedehnter Resektion bestmöglich zu vermeiden, ist daher

    heute das Hauptziel der Operation. (…)“

    1. Anatomische Grundlagen

    Abwägung:

    onkologische Radikalität

    vs.

    Komplikationsvermeidung

    Dralle, 2009

  • Normvarianten des N. laryngeus recurrens

    „know your landmarks“

    N. laryngeus recurrens non-recurrens (ca. 1%, rechts!)

    Ca. 20-38% extralaryngeale Aufzweigung in anterioren und posterioren Ast

    Verlauf:

    • In Bezug zu Trachea – lateral ca. 25%, anterior ca. 6-8%, ca. 50% in „Berry-Band“

    • In Bezug zur A. thyreoidea - 60% dorsal, ca. 33% ventral, 6-7% zwischen den Ästen

    1. Anatomische Grundlagen

    Cichon et al., 2008

    Sancho et al., 2008

    Schwarz et al., 2009

    Serpell et al., 2009

  • Nebenschilddrüsen und

    Lagevariabilitäten

    1. Anatomische Grundlagen

    A.Verteilung der oberen Nebenschilddrüsen

    B.Verteilung der unteren Nebenschilddrüsen

    Die Zahlen geben die prozentuale Verteilung

    der Nebenschilddrüsen entsprechend der

    Lokalisation an.

  • Schilddrüsenresektionen:

    • In kurativer Intention möglichst keine subtotalen Resektionen, daher

    mindestens

    ipsilaterale Hemithyreoidektomie (HT) oder Thyreoidektomie (TT)

    Aber kleine Schilddrüsenreste bis maximal 5 ml i. d. R. noch abladierbar!

    • In palliativer Situation Individualentscheidung

    1. OP-Prinzipien: Resektionsausmasse

  • Lymphadenektomie:

    Kompartment-orientierte Einteilung in

    zentrales Kompartment (K Ia/b)

    laterales Kompartment (KII rechts, KIII links)

    mediastinales Kompartment (KIVa rechts, KIVb links)

    Terminologie der Resektionsverfahren:

    Ergänzung sinnvoll, wie:

    Indikation (prophylaktisch, therapeutisch)

    Zugang (z. B. zervikal, transsternal)

    Technik (Kompartment-

    orientiert, selektiv

    „berry-picking“)

    1. OP-Prinzipien: Resektionsausmasse

    http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-

    leitlinien/II-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-

    allgemein-und-viszeralchirurgie.html

  • Papilläres Schilddrüsencarcinom (PTC) etwa 80-84%

    • Erhebliche Zunahme der papillären Mikrocarcinome

    (PTC ≤ 10 mm = PMTC)

    Follikuläres Schilddrüsencarcinom (FTC) ca. 6-10%

    • Minimal-invasiv (MI-FTC) und breit-invasiv (WI-FTC)

    „low risk“ und „high risk“ Unterscheidung zur risikostratifizierten Therapie bei

    meist sehr guter Prognose

    Pathohistologisch weitere Varianten mit schlechterer Prognose möglich

    2. Differenzierte Schilddrüsencarcinome (DTC)

  • 2. Differenzierte Schilddrüsencarcinome (DTC)

    DTC Einteilung in Risikogruppen nach ATA (American Thyroid Association) und BTA (British Thyroid Association), Abweichungen blau

    Risiko pTN Besondere

    Charakteristika

    Niedrig pT1a uni oder multi N0/ Nx

    pT1b N0/ Nx

    pT2 N0/ Nx

    pT3 > 4 cm N0/ Nx

  • Ipsilaterale Hemithyreoidektomie weiterhin prinzipiell ausreichend

    • ABER, bei postoperativem Zufallsbefund

    individuelle Entscheidung über eine Komplettierungsthyreoidektomie (KOP)

    und/oder Radiojodtherapie (RJT) insbesondere bei vorliegenden …

    Risikofaktoren:

    • Organkapselinvasion/ -überschreitung

    • Multifokalität

    • Metastasierung

    • besondere histologische Varianten

    Keine rein prophylaktische,

    zentrale komplettierende LA

    2. Papilläres Mikrocarcinom (PMTC) (≤ 10 mm, PTMC) ohne Metastasen, „low risk“

  • totale Thyreoidektomie (TT)

    • Beim cN0-PTC > 10 mm:

    Da kein sicher belegter Vorteil der

    prophylaktischen LA

    prophylaktische LA nur bei

    ausreichender operativer Expertise

    • Bei postoperativer Diagnose eines cN0-PTC:

    Bei fehlendem Hinweis auf Resttumor und nach TT

    komplettierende prophylaktische zentrale LA NICHT empfohlen

    • Beim cN1-PTC:

    Zur Senkung des Rezidivrisikos und Verbesserung der Überlebenschance

    immer TT mit zentraler LA

    2. Papilläre Karzinome (PTC) >10 mm und metastasierte PTC jeder Primärtumorgröße

    „high risk“

  • • KEINE routinemäßige prophylaktische laterale oder mediastinale LA

    • ABER, befallsorientierte therapeutische LA, auch zweizeitig möglich!

    • mögliche Ausnahme-Indikation für prophylaktische laterale LA: PTC im Oberpol

    und ausgedehnter zentraler LK-Befall

    • Bei zervikoviszeralen Tumorinfiltrationen/ Rezidiv:

    prinzipiell OP-Indikation gegeben (lokal, „Schrittmachermetastasenresektion“)

    alternativ nicht-operative Palliativ-Verfahren

    2. Papilläre Karzinome (PTC) < 10 mm und metastasierte PTC jeder Primärtumorgröße

    „high risk“

    http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-

    leitlinien/II-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-

    allgemein-und-viszeralchirurgie.html

  • • Follikuläre Karzinome ≤1 cm im Gegensatz zum PTMC eine Rarität

    • Klinisch, prognostisch und therapeutisch wichtige Unterscheidung in

    minimal- (MI-FTC) und breit-invasiven FTC (WI-FTC)

    • Etwa 2/3 sind MI-FTC mit exzellenter Prognose

    • WI-FTC in ca. 1/3 bereits primär metastasiert, Prognose schlechter

    MI-FTC ohne Gefäßinvasion „low risk“

    Ipsilaterale Hemithyreoidektomie weiterhin prinzipiell ausreichend

    (aber erschwerte präoperative Diagnose)

    MI-FTC mit Gefäßinvasion „high risk“

    grundsätzlich TT mit anschließender RJT

    Keine Indikation zur prophylaktischen LA

    • bei fehlendem lymphogenen Metastasierungsrisiko

    2. Follikuläre Karzinome (FTC)

  • grundsätzliche TT mit postoperativer RJT

    Keine prophylaktische LA

    Therapieprinzipien bezüglich Zervikoviszeralresektion, Nachsorge,

    Rezidivtherapie, Fernmetastasenchirurgie entsprechen denen des PTC

    • Sonderfall Onkozytäres Karzinom:

    Lymphogenes Metastasierungspotential wie PTC, daher Therapie auch wie PTC

    TT mit postoperativer RJT

    Bei prä- oder intraoperativem Nachweis auch routinemäßige zentrale LA

    2. Follikuläre Karzinome (FTC) WI-FTC auch bei primärer Metastasierung

    „high risk“

    http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-

    leitlinien/II-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-

    allgemein-und-viszeralchirurgie.html

  • 2. Differenzierte Schilddrüsencarcinome (DTC)

    Risiko Karzinom-

    typ

    Ausbreitung Bevorzugtes

    Resektionsausmaß

    Alternative

    Niedrig PTC < 10 mm, solitär, keine extrathyr.

    Invasion, N0, M0

    HT TT bei

    kontralateralen

    Knoten

    FTC Minimal-invasiv ohne

    Gefäßinvasion, M0

    HT TT bei

    kontralateralen

    Knoten

    Hoch PTC > 10 mm, multifokal oder mit

    extrathyr. Invasion, N+ oder M+

    TT mit prophylaktischer

    zentraler LA und

    befallsorientierter LA

    TT ohne LA bei cN0,

    cM0

    FTC Minimal-invasives FTC mit

    Gefäßinvasion oder breit-

    invasives FTC

    TT ohne

    prophylaktische LA

    TT mit

    prophylaktischer,

    zentraler LA bei

    onkozytärem FTC

    Risikostratifiziertes Resektionsausmaß beim differenzierten (papillären und follikulären) Schilddrüsencarcinomen

  • • Komplettierungsoperation (KOP) bei einem postoperativen Zufallsbefund:

    Bei unzureichendem primären Resektionsverfahren oder unvollständiger

    Tumorentfernung

    Der operativ-technisch günstigste Zeitpunkt:

    innerhalb der ersten 4 postoperativen Tage

    oder 3 Monate nach dem Primäreingriff

    kein erhöhtes onkologisches Risiko

    bei KOP nach 3 Monaten

    2. Differenzierte Schilddrüsencarcinome (DTC)

    http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-

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  • • Bei gegebener Resektabilität (auch bei M1-Situation)

    radikale Tumorresektion mit TT und postoperativer RJT

    In kurativer Intention auch befallsorientierte LA

    • Bei Organüberschreitung mit Zervikoviszeralinfiltration:

    Ausgedehnte Resektionen nur in kurativer Intention

    • Nachsorge, Rezidivtherapie, Fernmetastasenchirurgie

    Aufgrund der Seltenheit/ Variabilität noch keine standardisierten Empfehlungen:

    Möglichst chirurgische Behandlung von Lokalrezidiven

    Bei Irresektabilität palliative Bestrahlung und/oder Chemotherapie

    2. Gering differenzierte Karzinome (poorly differentiated thyroid carcinoma, PDTC)

    http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-

    leitlinien/II-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-

    allgemein-und-viszeralchirurgie.html

  • Nach Diagnosesicherung und Staging individuelle Evaluation chirurgischer/

    radioonkologischer Therapieoptionen

    1. Intrathyreoidales UTC (T4a N0/1 M0/1)

    2. Extrathyreoidales UTC ohne Zervikoviszeralinfiltration

    (T4b N0/1 M0/1)

    Tumorresektion mit Radiatio (ggf. neoadjuvantes Konzept)

    Bei unilateralem Befall TT NICHT erforderlich

    Palliative Resektionen (Debulking) vermeiden

    3. Extrathyreoidales UTC mit Zervikoviszeralinfiltration (T4b N0/1 M0/1)

    primär palliativ radioonkologische Therapie

    Keine Debulking-Resektionen, keine prophylaktische Tracheotomie

    Nachsorge, Rezidivtherapie, Fernmetastasenchirurgie

    • Palliation! supportive Maßnahmen, keine Rezidiv-/ Fernmetastasenchirurgie

    2. Undifferenzierte (anaplastische) Karzinome (UTC)

    Undifferenziertes Carcinom

  • • Deutliche Prognoseverbesserung des sporadischen MTC durch routinemäßige

    Kalzitoninbestimmung und resultierender Frühoperation

    • Signifikante Risiko-Erhöhung bei stimulierten Kalzitoninwerten über 100 pg/ml

    OP-Indikation

    • Basaler Kalzitoninwert zwischen 20 und 200 pg/ml:

    frühe Metastasierung in das zentrale und ipsilateral-laterale Kompartment, daher auch bei cN0

    TT mit primär mindestens zentraler

    und ipsilateral-lateraler LA

    • Basaler Kalzitoninwerten über 200 pg/ml:

    Risikosteigerung kontralateral-lateraler

    Lymphknoten- und Fernmetastasen mit

    Tumorgröße

    TT mit LA der Kompartimente I-III

    2. Medulläre Karzinome (MTC)

  • • Bei hereditären MTC mutations-spezifische Risikogruppen A-D

    • Bei asymptomatischen ATA A bis C Kalzitoninbestimmung für OP-Zeitpunkt von

    entscheidender Bedeutung:

    • Normaler, basaler Kalzitoninwert:

    Mit großer Sicherheit noch keine extrathyreoidale Ausbreitung

    prophylaktische TT spätestens, wenn der stimulierte Kalzitoninwert erhöht

    prophylaktische LA dann nicht zwingend erforderlich

    • Bei Indexpatienten und Genträgern mit basal erhöhtem Kalzitonin:

    TT mit bilateraler zentraler und lateraler LA (Kompartimente I-III)

    • Beim MEN 2B-Syndrom (ATA D):

    TT dagegen zum frühest möglichen Zeitpunkt empfohlen

    • Abklärung Phäochromozytom/ Hyperparathyreoidismus

    • .

    2. Medulläre Karzinome (MTC)

  • Recurrensparese (passager unter 10%, permanent unter 2 %, bei Redo ggf. dtl. höher)

    • Kenntnis abweichender Verläufe, Sichtschutz, Lupenbrille

    • Vermeidung von Zug/ Hitze, Clips/ Ligaturen

    • Neuromonitoring: IONM, CIONM?

    • Eingeschränkte/ zweizeitige Resektion onkologisch vertretbar???

    Horner-Syndrom

    • LA im craniodorsalen Abschnitt des zentralen Kompartiments

    • Hämatom?

    3. Komplikationsmanagement

  • Hypoparathyreoidismus (passager bis zu 25%, permanent ca. 1-3 %, bei LA dtl. erhöht)

    • Kenntnis der Lagevariabilität, Sichtschutz, Lupenbrille, Durchblutungserhalt

    • Markierung (Clips, Ligatur?)

    • Kontrolle am Resektat, Auto-Tx

    • Radikalität der prophylaktischen LA kontralateral zentral?

    Lymphfistel (D. thoracicus)

    • Konservativ vs. operativ, Revision wann?

    Nachblutung

    • Geschultes Personal auf den Stationen, ggf. Wunderöffnung am Patientenbett

    zwecks Sicherung der Atemwege

    Nachbarstrukturverletzung/ Resektion bei Infiltration:

    • Trachea, Ösophagus, Gefäße: Übernähung, Muskel-Flap, Segment-Resektion

    3. Komplikationsmanagement

  • Steigende Inzidenz, 50% postoperativer Zufallsbefund

    Bei den DTC individuelles, risikostratifiziertes Therapiekonzept:

    • Zunahme der PTMC mit exzellenter Prognose auch bei limitierter Therapie

    • In „High Risk“ Situation in der Regel TT mit oder ohne prophylaktischer LA, mit

    befallsorientiert-therapeutischer LA und postop. RJT die Therapieform der Wahl

    Beim MTC Entscheidung über Zeitpunkt und Resektionsausmass in Abhängigkeit

    des basalen und stimulierten Kalzitoninspiegels

    Gratwanderung zwischen onkologischer Radikalität und bestmöglicher

    Komplikationsvermeidung bedeutet oftmals eine Herausforderung für den Chirurgen

    Fazit

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

    www.schilddruesenchirurgie-hannover.de

    http://www.schilddruesenchirurgie-hannover.de/http://www.schilddruesenchirurgie-hannover.de/http://www.schilddruesenchirurgie-hannover.de/